Ein Schopftingling (Coprinus comatus) hat das Tageslicht erblickt und beginnt sogleich mit seiner Selbst-Auslöschung. Der Pilz haben das Material dazu im Gepäck. Es ist ein Enzym, also eine Eiweißverbindung, die er in sich trägt. Das Enzym sorgt dafür, das der hübsche weiße Hut nicht viel länger als 24 Stunden existiert.

Die Selbst-Auflösung beginnt am unteren Rand. Er färbt sich schwarz, fängt an zu zerfließen und rollt sich nach oben. Der Pilz wird kürzer und kürzer, behält aber zunächst noch seine typische Form. Die schwarze Flüssigkeit hat man früher zur Herstellung dokumentenechter Tinte verwendet. Dazu wurde sie mit Nelkenöl und Gummi arabicum versetzt.

In der Flüssigkeit befinden sich Sporen, mit denen der Pilz sich vermehrt. Sie fließen in den Boden oder werden von Tieren abgestreift und davon getragen. Wo die Sporen auf gute Bedingungen treffen, bildet sich ein neuer unterirdischer Pilzkörper. Tintlinge sind Jäger. Sie ernähren sich nicht nur von vermoderndem Torf, Holz oder Dung im Boden, sie fangen auch Fadenwürmer, die sie erst mit einem Gift betäuben und dann aussaugen.

Am Ende hat sich der Hut bis nach oben aufgerollt. In wenigen Stunden, vor allem bei Regen, wird er gänzlich zerflossen sein. Tintlinge gehören zu den Pilzen, die den Lebensraum Stadt erobert haben. Am häufigsten sieht man ihre Fruchtkörper um diese Jahreszeit.

Über die Autorin

Susanne Dohrn lebt als Autorin und freie Journalistin in einem alten Garten in Schleswig-Holstein. 2017 erschien ihr Buch „Das Ende der Natur: Die Landwirtschaft und das stille Sterben vor unserer Haustür“ (Ch.Links Verlag, Taschenbuchausgabe 2018 im Herder Verlag), 2019 veröffentlichte sie „Der Boden: Bedrohter Helfer gegen den Klimawandel“ (Ch.Links Verlag). Im November 2020 erhielt das Buch den Salus-Medien-Sonderpreis, mit dem das Unternehmen "herausragende journalistische Beiträge ... zu Gentechnik, Ökologie und Umwelt" auszeichnet.

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