So sieht er aus, wenn man ihm unter den Rock schaut, bzw. den Hut – der Pilz des Jahres 2024. Mit dem Kopf nach unten steckt er in einem Marmeladeglas und soll nun zeigen, was er kann: Sich in rabenschwarze Tinte verwandeln. Das dauert ein paar Tage, je nachdem wie „jung“ der Schopftintling (Coprinus comatus) oder Spargelpilz bei der Ernte ist. Die Exemplare auf dem folgenden Foto haben sich gerade erst aus dem Boden einer Wiese gewühlt. Sie sind dann beige-weiß.

Schopf-Tintlinge sprießen von Mitte Oktober bis Anfang November auf Wiesen, Wald- und Grabenrändern.

Wenn die knuddeligen „Pilzköpfe“ sich recken und strecken, wenn sie rank und schlank werden, reißt ihre Außenhaut auf und bildet fedrige weiße Schuppen. Gleichzeitig verfärbt sich der untere Rand dunkel. Die Tinten-Produktion hat begonnen.

Schopftintlinge werden acht bis zehn Zentimeter hoch. Dieser hat schon angefangen, sich aufzulösen.

In wenigen Stunden wird der Tintling anfangen zu tropfen, der Prozess der Selbstauflösung (Autolyse) hat begonnen. Die Pilze brauchen dazu keine fremden Bakterien. Sie können das ganz allein. Das dazu notwendige Enzym produzieren sie selbst. Es ist ihre Art sich zu vermehren. In der schwarzen Flüssigkeit, die zu Boden tropft, sind die Sporen enthalten, die sich mit Wind und Wasser verbreiten.

Von diesem Pilzhut wird am nächsten Tag kaum noch etwas zu sehen sein.

Von dem Tintling in meinem Marmeladeglas war nach vier Tagen nur noch der Stiel sichtbar. Der Rest hat sich komplett in eine schwarze Flüssigkeit verwandelt. Durch ein Sieb gegossen könnte ich die Tinte jetzt zum Schreiben oder zum Zeichnen nutzen. Einen Nachteil hat sie allerdings. Sie müffelt stark nach sehr, sehr alten Pilzen. Vielleicht kippe ich sie auch einfach in meinen Garten und eröffne meine eigene Tintlings-Zucht.

Der Blick tief ins Marmeladeglas zeigt: Vom Pilz ist kaum noch etwas sichtbar.

Über die Autorin

Susanne Dohrn lebt als Autorin und freie Journalistin in einem alten Garten in Schleswig-Holstein. 2017 erschien ihr Buch „Das Ende der Natur: Die Landwirtschaft und das stille Sterben vor unserer Haustür“ (Ch.Links Verlag, Taschenbuchausgabe 2018 im Herder Verlag), 2019 veröffentlichte sie „Der Boden: Bedrohter Helfer gegen den Klimawandel“ (Ch.Links Verlag). Im November 2020 erhielt das Buch den Salus-Medien-Sonderpreis, mit dem das Unternehmen "herausragende journalistische Beiträge ... zu Gentechnik, Ökologie und Umwelt" auszeichnet.

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