Der Oktober war sehr warm, der November auch – da kommt in der Natur einiges durcheinander. Die Gewöhnliche Nachkerze (Oenothera biennis) auf dem Foto oben hat beschlossen, dass Spätsommer ist und sie blühen will. Der zwergenhafte Blütenstand, der sonst mehr als einen Meter hoch wird, zeugt von ihrer Unentschiedenheit. Die Samen werden dieses Jahr nicht mehr reif. Ob sie im kommenden Sommer einen zweiten Versuch startet, ist ungewiss, schließlich ist die Pflanze zweijährig und stirbt nach der Blüte ab.

Jedes Jahr im Herbst blühen in meinem Garten einige Doldige Schleifenblumen (Iberis umbellata). Auch sie sind zweijährig. Ihre eigentliche Blütezeit beginnt im Juni. Die meisten sind violett, jetzt ist zum ersten Mal auch eine weiße dabei.

Das Mutterkraut (Tanacetum parthenium), auch Falsche Kamille oder Zierkamille genannt, nutzten Hebammen früher, um Wehen einzuleiten oder eine Geburt zu beschleunigen. Fieberkraut, auf Englisch Fever few (wenig Fieber), heißt es, weil man es auch zum Fiebersenken nutzte. Normalerweise blüht das Mutterkraut von Juni bis September. Diese Pflanze hat sich den Oktober/November ausgesucht .

Das Mutterkraut ist einjährig. Diese Pflanze hat trotz ihrer späten Blüte Samen gebildet, die ich an offenen Stellen in meinem Garten verteile.

Bei der folgenden Pflanze bin ich mir nicht sicher: Ist ein Frühlings-Krokus (Crocus vernus), der sich in der Jahreszeit geirrt hat, eine verspätete Herbstzeitlose (Colchicum autumnale), die sich aus einem anderen Beet dorthin verirrt hat oder ein Herbst-Krokus (Crocus speciosus), den ich dort weder gepflanzt noch ausgesät habe. Soviel ist jedenfalls sicher: Der Herbst ist im Garten eine Zeit der überraschenden und raren Genüsse.

Über die Autorin

Susanne Dohrn lebt als Autorin und freie Journalistin in einem alten Garten in Schleswig-Holstein. 2017 erschien ihr Buch „Das Ende der Natur: Die Landwirtschaft und das stille Sterben vor unserer Haustür“ (Ch.Links Verlag, Taschenbuchausgabe 2018 im Herder Verlag), 2019 veröffentlichte sie „Der Boden: Bedrohter Helfer gegen den Klimawandel“ (Ch.Links Verlag). Im November 2020 erhielt das Buch den Salus-Medien-Sonderpreis, mit dem das Unternehmen "herausragende journalistische Beiträge ... zu Gentechnik, Ökologie und Umwelt" auszeichnet.

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