Die Gemeine Wegwarte (Cichorium intybus) ist nichts für Morgenmuffel. Sie blüht nur bis mittags und das auch nur, wenn die Sonne scheint. Dafür wird die stattliche Pflanze bis zu zwei Meter hoch und blüht von Juni bis Oktober. Hildgegard von Bingen, Mystikerin, Heilkundige und Äbtissin, nannte sie Sunnenwirbel, weil sie ihre Blüten der Sonne zuwendet. Die Gemeine Wegwarte ist die Heilpflanze des Jahres 2020. Ihre Wurzel enthält Inulin, das für eine gesunde Darmflora sorgt. 

Furchtbares Gebräu

Bekannt ist die Wegwarte auch als Kaffeekraut. Richtiger Kaffee war ursprünglich so teuer, dass er für Normalbürger unerschwinglich war. Er musste importiert werden, gehörte zu den Kolonialwaren, in Preußen lasteten auf Kaffee zeitweilig sogar hohe Steuern. Also trank man Muckefuck, eine Art Ersatzkaffe aus geröstetem Getreide und den gerösteten Wurzeln der Wegwarte, verfeinert mit ein paar Kaffeebohnen, wenn man sich die leisten konnte. Vermutlich hat das Gebräu ziemlich furchtbar geschmeckt.

Kinder-Kaffee

Ich kann mich erinnern, dass wir als Kinder manchmal Caro-Kaffee bekamen. Richtiger Kaffee galt wegen des Koffeins als ungesund für Kinder. Geschmeckt hat er mir nie, genauso wenig wie richtiger Kaffee, dem Zichorie beigemischt wird, wie das zum Teil noch in Frankreich üblich ist. Mir ist „richtiger“ Kaffee lieber, langsam geröstet, und die Wegwarte überlasse ich den Insekten. 

Über die Autorin

Susanne Dohrn lebt als Autorin und freie Journalistin in einem alten Garten in Schleswig-Holstein. 2017 erschien ihr Buch „Das Ende der Natur: Die Landwirtschaft und das stille Sterben vor unserer Haustür“ (Ch.Links Verlag, Taschenbuchausgabe 2018 im Herder Verlag), 2019 veröffentlichte sie „Der Boden: Bedrohter Helfer gegen den Klimawandel“ (Ch.Links Verlag). Im November 2020 erhielt das Buch den Salus-Medien-Sonderpreis, mit dem das Unternehmen "herausragende journalistische Beiträge ... zu Gentechnik, Ökologie und Umwelt" auszeichnet.

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