In meinem Garten ging ich bislang unbarmherzig gegen Gräser vor, aber das ändert sich gerade. Peter König, von dem ich gestern schon erzählt habe, hat mir die Augen geöffnet. Beim Spaziergang über eine Streuwiese pflückte er einen Grashalm, rieb ihn zwischen den Fingern und in die Nase stieg der Geruch von Waldmeister. Wohlriechendes Ruchgras (Anthoxanthum odoratum). Es bildet eine Vorstufe des Cumarins, das auch im Waldmeister enthalten ist. Cumarin ist übrigens auch ein blutgerinnungshemmender Arzneistoff und ein Aromastoff, darf aber als solcher nicht mehr verwendet werden.

Hinschauen lohnt sich: Jede Blüte sieht anders aus.
Hinschauen lohnt sich: Jede Blüte sieht anders aus.

Pellkartoffeln-und-Quark-Typ

Wohlriechendes Ruchgras ist ein „schwachwüchsiges“ Gras, so nennt es der Botaniker. Er meint damit, dass es genügsam ist. Ruchgras wächst auf nährstoffarmen Böden. Auf den Menschen übertragen wäre es der Pellkartoffeln-und-Quark-Typ verglichen mit dem Steak-und-Pommes-Typ. Mehr Stickstoff in Form von Gülle oder Kunstdünger auf den Wiesen sorgt dafür, dass sich die Steak-und-Pommes Gräser breitmachen. In der Saat zu meiner kleinen Wiese befand sich Ruchgras. Mal sehen ob ich es entdecke, aber dazu muss es erst blühen. Allein an den Blättern kann ich es nicht erkennen.

Warum Streuwiesen ausgestorben sind 

Jetzt im Juni färben die Gräser mit ihren zarten Blüten die Wiesen und Wegraine in ganz unterschiedlichen Grün- bis Rosttönen. Hier am Rand der Marsch sind das eher solche, die auf stickstoffreichen Böden wachsen, und die meisten von ihnen werden diese Tage abgemäht. Bei einer Streuwiese wäre das anders. Sie diente als Einstreu für die Tiere, wenn man nicht genug Stroh hatte und wurde deshalb erst im Spätsommer gemäht. Weil man Einstreu heute nicht mehr braucht, sind Streuwiesen sehr, sehr selten geworden.

Über die Autorin

Susanne Dohrn lebt als Autorin und freie Journalistin in einem alten Garten in Schleswig-Holstein. 2017 erschien ihr Buch „Das Ende der Natur: Die Landwirtschaft und das stille Sterben vor unserer Haustür“ (Ch.Links Verlag, Taschenbuchausgabe 2018 im Herder Verlag), 2019 veröffentlichte sie „Der Boden: Bedrohter Helfer gegen den Klimawandel“ (Ch.Links Verlag). Im November 2020 erhielt das Buch den Salus-Medien-Sonderpreis, mit dem das Unternehmen "herausragende journalistische Beiträge ... zu Gentechnik, Ökologie und Umwelt" auszeichnet.

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