Die Tour beginnt mit einer Überraschung – einem „Moos“. Klitzeklein wächst es in den Ritzen zwischen den Steinen. Jürgen Feder rupft das Mini-Pflänzchen heraus, zeigt es herum. Wer genau hinschaut, kann weiße Blüten erkennen. „Niederliegende Mastkraut (Sagina procumbens),“ sagt der Biologe.
Der Name passt. Statt nach oben macht sich die Pflanze zur Seite breit. Eigentlich stammt sie aus den Alpen, hat aber inzwischen die Pflasterritzen in Städten und Gärten erobert, auch meine Terrasse. Ich bin glücklich: Mein Moos ist eine Nelke.
Jürgen Feder, einer der besten Pflanzenkenner Deutschlands, entdeckt Artenvielfalt, wo man sie nicht vermutet: auf verlassenen Industriegeländen oder, wie bei uns in Tornesch, entlang einer viel befahrenen Hauptstraße. Der Vogelknöterich (Polygonum aviculare), ist wahrlich keine Schönheit, aber Spatzen (Passer domesticus) lieben seine nahrhaften Samen, die bis zu 250 Jahre im Boden überleben können. Übrigens: Die Pflanze ist einjährig.
Gerade dort, wo niemand sich kümmert, wo es heiß ist und trocken, wo es wenig Nährstoffe gibt oder der Boden verdichtet ist, wächst eine ungeahnte Vielfalt an heimischen und zugewanderten Pflanzen. Auf dem Foto bestimmt Feder gerade ein Weidenröschen (Epilobium), wofür er eine Lupe zur Hand nimmt, weil manche Arten sich sehr ähnlich sind.
Bei seinen Führungen wirbt Jürgen Feder für mehr „Undordnung“ in der Stadt. Das kann den dramatischen Artenrückgang auf landwirtschaftlichen Flächen zwar nicht ausgleichen, aber mancher Art eine Zuflucht bieten, z.B. dem gelb blühenden Echten Leinkraut (Linaria vulgaris, Foto ganz oben). Es hat vom Grünland aus die Straßenränder erobert. Die wild wuchernde Zaunwinde (Calystegia sepium, Foto unten) hingegen rupft Feder händeweise aus. Diese Arbeit muss ich in meinem Garten auch mal wieder in Angriff nehmen.