Nur wer es weiß sieht, dass hier ein Graben verläuft. Seine Oberfläche besteht aus dicht an dicht stehenden, scharfkantigen, mit Sägezähnen bewehrten Blättern, die spitz nach oben zeigen. Diese Blätter kenne ich aus meinem Gartenteich. „Sehen Sie, das ist die Krebsschere“, sagt Claus Ivens, Landwirt auf der Halbinsel Eiderstedt. „Im Herbst sinkt sie auf den Boden des Gewässers und im Frühjahr steigt sie wieder auf.“ Fadenalgen, die sonst einen undurchdringlichen Teppich bilden würden, unter dem das Wasser vermodert, nimmt sie dabei mit nach oben und hält das Wasser klar und sauber.

Kinderstube für eine Libelle

Claus Ivens hat eine Krebsschere aus dem Graben gezogen.
Claus Ivens hat eine Krebsschere aus seinem Graben gezogen.

Krebsscheren können so dicht stehen, dass sie den Bootsverkehr behindern. Auch Angler lieben sie nicht, weil sich ihre Schnüre in den zackigen Blättern verhaken. Deshalb wurde die Pflanze fast ausgerottet. Und damit auch eine prachtvolle Libelle mit 8,5 Zentimetern Flügelspannweite, die Grüne Mosaikjungfer. Weil sie ihre Eier zwischen die die Blätter von Krebsscheren legt, gibt es diese Art nur noch ganz, ganz selten. Auf Eiderstedt an der Westküste kann man sie manchmal noch sehen, Dank der Krebsscheren in Claus Invens‘ Gräben.

Köstlicher Grusel

Auch Ivens lässt alle paar Jahre Abschnitte seiner Gräben räumen, damit sie nicht verlanden. Aber immer nur einige Meter, damit von Rändern das Leben schnell zurückkehren kann. Die Arten in seinen Gräben hat er erfassen lassen. Es sind 85. Dazu gehören auch Fischarten wie Stichling, Moderlieschen und Schlammpeitzger. Der sieht aus wie ein Aal, kann nicht nur mit seinen Kiemen atmen, sondern auch Luft schlucken, um Sauerstoff mit dem Darm aufzunehmen. Wenn sein Gewässer auszutrocknen droht, überdauert er so im Schlamm bis zum nächsten Regen. „Als Kinder haben wir ihn oft in den Gräben gefangen“, erinnert sich Ivens. „Wenn man ihn anfasst quiekt er. Gruselig. Deshalb haben wir ihn Quiekaal genannt.“

Über die Autorin

Susanne Dohrn lebt als Autorin und freie Journalistin in einem alten Garten in Schleswig-Holstein. 2017 erschien ihr Buch „Das Ende der Natur: Die Landwirtschaft und das stille Sterben vor unserer Haustür“ (Ch.Links Verlag, Taschenbuchausgabe 2018 im Herder Verlag), 2019 veröffentlichte sie „Der Boden: Bedrohter Helfer gegen den Klimawandel“ (Ch.Links Verlag). Im November 2020 erhielt das Buch den Salus-Medien-Sonderpreis, mit dem das Unternehmen "herausragende journalistische Beiträge ... zu Gentechnik, Ökologie und Umwelt" auszeichnet.

Vielleicht gefällt dir auch das: