Abends, wenn ich in der Dämmerung aus dem Fenster schaue, denke ich: Nun ist die Pracht vorbei. Verblüht die zauberhaften Taglilien. Am nächsten Morgen sind sie wieder da. Bis zu 300 Blüten kann eine Taglilie hervorbringen, das reicht für einen Sommer, selbst wenn jede sich nur für einen Tag öffnet.

Die Tagesschönheiten, so ihr botanischer Name Hemerocallis, sind super-pflegeleicht, wachsen auf jedem Boden und mögen die Sonne. Weil sie früher oft in den Gärten der Bahnwärter zu finden waren – dann in der orangefarbenen Variante – heißt sie auch Bahnwärter-Taglilien. Bahnwärter hatten Zeit. Dort wo mein Urgroßvater die Schranken bediente, kam achtmal am Tag ein Zug, morgen uns abends von Altona nach Kiel und zurück, zweimal als Personen- und zweimal als Güterzug. Die Lilien in meinem Garten erinnern mich an die Familien-Geschichte.

Über die Autorin

Susanne Dohrn lebt als Autorin und freie Journalistin in einem alten Garten in Schleswig-Holstein. 2017 erschien ihr Buch „Das Ende der Natur: Die Landwirtschaft und das stille Sterben vor unserer Haustür“ (Ch.Links Verlag, Taschenbuchausgabe 2018 im Herder Verlag), 2019 veröffentlichte sie „Der Boden: Bedrohter Helfer gegen den Klimawandel“ (Ch.Links Verlag). Im November 2020 erhielt das Buch den Salus-Medien-Sonderpreis, mit dem das Unternehmen "herausragende journalistische Beiträge ... zu Gentechnik, Ökologie und Umwelt" auszeichnet.

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