Eine eiskalte Nacht, ein nebliger Morgen an der Elbe und dann – das schönste Himmelsblau. Die Entscheidung ist schnell gefallen: Weg vom Schreibtisch, ab in die Sonne, in Hamburgs Loki-Schmidt-Garten. Seit 2012 ist der Botanische Garten der Universität Hamburg nach der leidenschaftlichen Botanikerin, Pflanzenschützerin und Ehefrau von Bundeskanzler Helmut Schmidt benannt. Der Eintritt ist frei, der Genuss unbezahlbar. Die Blätter des Fächerahorns (Acer palmatum) (Foto oben) haben sich leuchtend rot gefärbt. In die tief gezackten Blätter einer Morgenländischen Platane (Platanus orientalis) fallen schräge Spätherbstsonnenstrahlen.

Die Nadeln der Sumpfzypressen (Taxodium) leuchten kupfergolden, bevor sie endgültig zu Boden fallen, und die Bäume bis zum Frühjahr kahl stehen. Unter den Füßen der Bäume verbirgt sich das Geheimnis ihres Überlebens in Wasser und Sumpf.

Aus dem See und dem matschigen Ufer ragen skurrile Gebilde. Es sind die Luftwurzeln (Pneumatophoren) der Sumpfzypressen. In sauerstoffarmem Gelände versorgt eine solches Atemknie die Wurzeln des Baumes mit zusätzlichem Sauerstoff.

Wäre es an dem Tag neblig gewesen, ich hätte womöglich angefangen an Wichtelmännchen zu glauben. Die geheimnisvollen braungrünen Gebilde erwiesen sich aus der Nähe betrachtet als „Rhabarber“-Blätter, an denen der Riese Goliath seine Freude gehabt hätte. Färber-Mammutblatt (Gunnera tinctoria) heißt die Pflanze, die aus Chile stammt. Die Gärtner haben ihre Blätter genommen, um empfindliche Pflanzen vor zuviel Nässe Frost zu schützen.

Woanders lagen auf dem Boden stapelweise Zweige mit weißen Beeren: Laubholzmisteln (Viscum album). Sie wachsen auf Bäumen und lassen den Baum für sich arbeiten, entziehen ihm Wasser und Nährstoffe. Die Gärtner im Loki-Schmidt-Garten haben nicht nur die Misteln sondern ganze Äste abgeschnitten. Um die Schmarotzer loszuwerden müsse mindestens 30 bis 50 Zentimeter ins gesunde Holz geschnitten werden, schreibt der NABU.

Mistel-Beeren sind Vogelnahrung. Die klebrigen Samen haften an ihren Schnäbeln. Die Vögel streifen die Samen an Ästen ab, die Samen keimen, dringen ratzfatz in den Ast ein und der Kreislauf beginnt von Neuem. Ich beschließe: Ein Mistelzweig kommt mir nicht ins Haus.

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Über die Autorin

Susanne Dohrn lebt als Autorin und freie Journalistin in einem alten Garten in Schleswig-Holstein. 2017 erschien ihr Buch „Das Ende der Natur: Die Landwirtschaft und das stille Sterben vor unserer Haustür“ (Ch.Links Verlag, Taschenbuchausgabe 2018 im Herder Verlag), 2019 veröffentlichte sie „Der Boden: Bedrohter Helfer gegen den Klimawandel“ (Ch.Links Verlag). Im November 2020 erhielt das Buch den Salus-Medien-Sonderpreis, mit dem das Unternehmen "herausragende journalistische Beiträge ... zu Gentechnik, Ökologie und Umwelt" auszeichnet.

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