Gärtnerinnen sind Blütenblatt-Junkies. Der Garten soll bunt sein. Vielleicht ist das ein Erbe der Evolution, als unsere „Vorfahren“, die Insekten, vor Jahrmillionen anfingen, über die Erde zu schwirren. Seitdem überbieten Pflanzen sich darin, Bienen, Fliegen und Käfer anzulocken. Wir Menschen mit unseren Züchtungen setzen noch eins drauf, wie oben bei der Edel-Pfingstrose Festiva maxima. Die Blüte ist kurz davor, all ihre Blätter abzuwerfen. Das geschieht auf einen Schlag. Schönheit bis in den Tod, denn Samen bildet sie Hybride nicht, ganz im Gegensatz zum Gelben Scheinmohn (Meconopsis cambrica) auf dem folgenden Foto.

„Die Blütenblätter tragen nichts zur Zeugung bei, sondern dienen nur als Brautbett, das der große Schöpfer so großartig vorbereitet hat. Es ist geschmückt mit kostbaren Bettvorhängen und mit vielen süßen Düften parfümiert, damit Bräutigam und Braut ihre Hochzeit mit größter Festlichkeit begehen können“, schrieb Carl von Linné 1729. Da hatte die Botanik gerade entdeckt, wie Pflanzen sich fortpflanzen, begannen mit ihren Kreuzungen und Züchtungen. Besonders hübsch: der Rote Fransenmohn, eine Variante des Schlafmohns (Papaverum somniferum), die ich an einem Wegesrand entdeckt habe.

„Wenn das Bett so vorbereitet ist, dann ist die Zeit für den Bräutigam gekommen seine geliebte Braut zu umarmen und sich ihr hinzugeben“, schrieb Linné weiter. Fasziniert vom Sex bei Pflanzen, notierte er, dass es unter den Pflanzen Männer, „masculi“, Frauen „feminae“, ja sogar Hermaphroditen, „hermaphrodites“ gebe. Wie weit es mit der von Linné postulierten „sexuellen Leidenschaft“ der Pflanzen her ist, bleibt zu bezweifeln. Sie entsprang wohl der der Phantasie eine jungen unverheirateten Mannes.

Letztendlich dient Linnés Brautbett dazu, Insekten für die Bestäubung anzulocken. Um das zu erreichen investiert die ansonsten auf sparsamen Ressourcen-Verbrauch eingerichtete Natur in ein Feuerwerk an Farben, z.B. beim Wiesen-Storchschnabel (Geranium pratense, oben) und beim Armenischen Storchschnabel (Geranium psilostemon, unten).

Über die Autorin

Susanne Dohrn lebt als Autorin und freie Journalistin in einem alten Garten in Schleswig-Holstein. 2017 erschien ihr Buch „Das Ende der Natur: Die Landwirtschaft und das stille Sterben vor unserer Haustür“ (Ch.Links Verlag, Taschenbuchausgabe 2018 im Herder Verlag), 2019 veröffentlichte sie „Der Boden: Bedrohter Helfer gegen den Klimawandel“ (Ch.Links Verlag). Im November 2020 erhielt das Buch den Salus-Medien-Sonderpreis, mit dem das Unternehmen "herausragende journalistische Beiträge ... zu Gentechnik, Ökologie und Umwelt" auszeichnet.

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