Auflaufen. So nennen Landwirte es, wenn ihre Saat keimt. Wenn das Wetter mitspielt läuft sie gut auf. Meine auch. Zu den Grashälmchen gesellen sich zunehmend Blättchen. Manche zart und verästelt wie Miniaturgeweihe, Kamille vielleicht. Manche überragen fett und keck das Gras und erinnern vom Wuchs her an Kohl, andere versuchen, sich mit pelzigen Blättchen gegen die unbarmherzige Maisonne zu schützen. Seit drei Tagen weht ein „soorer“ Wind. So heißt der trockne Ostwind auf Plattdeutsch. Windstärke 8, Luftfeuchtigkeit 35 Prozent, 30 Grad im Schatten. Im Nu ist alles staubtrocken.

Luise im Glück

Luise, unsere Hausente, mag das Wetter. Sie durchwühlt unseren Teich und das kleine Moor nach Schnecken und Larven von Libellen und sonnt sich dann im Polsterphlox. Sie muss sich erholen. Die letzten Wochen hat sie so viele Eier gelegt, wie ihr Körpergewicht beträgt. Zuerst lagen die Eier vor der Terrassentür, dann hat Luise sie versteckt und mit Federn bedeckt. Aber was soll draus werden, wenn es keinen Erpel gibt? Bei der Gartenarbeit „hilft“ sie. Regenwürmer, Asseln, die sich beim Kratzen zeigen, werden gefressen. Nur Nacktschnecken mag sie nicht. Neuerdings schläft sie auf dem Balkongitter mit Blick in den Garten. Ein mühsamer Balanceakt. Vielleicht hat ihr auf dem Garagendach der Marder nachgestellt.

Wildblumen im Garten

Kriechender Günsel, Gelbe Taubnessel, Vergissmeinnicht – in meinem Garten dürfen auch Blumen leben, die andere für Unkräuter halten, sogar der Löwenzahn mit seinen dottergelben Blüten. Unsere Bienen lieben sie und brauchen sie dringend. Das Frühjahr war kalt uns nass, die Völker sind noch klein, weil sie es für die Brut nichts zu fressen gab. Nun müssen die Bienen heranschaffen, was das Zeug hält, und wer ihnen in die Quere kommt wird wütend verfolgt. Luise genießt das Gebrumm um sie herum. Wenn sie genug gefressen hat, sonnt sie sich im „Blühaspekt“. So nennen Landwirte ihre Ackerrandstreifen, auf denen sie Mohn und Kornblumen wachsen lassen. Auf den „Blühaspekt“ meiner kleinen Wiese bin ich sehr gespannt.

Über die Autorin

Susanne Dohrn lebt als Autorin und freie Journalistin in einem alten Garten in Schleswig-Holstein. 2017 erschien ihr Buch „Das Ende der Natur: Die Landwirtschaft und das stille Sterben vor unserer Haustür“ (Ch.Links Verlag, Taschenbuchausgabe 2018 im Herder Verlag), 2019 veröffentlichte sie „Der Boden: Bedrohter Helfer gegen den Klimawandel“ (Ch.Links Verlag). Im November 2020 erhielt das Buch den Salus-Medien-Sonderpreis, mit dem das Unternehmen "herausragende journalistische Beiträge ... zu Gentechnik, Ökologie und Umwelt" auszeichnet.

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