Nach zwei Wochen Sonne sind vier Monate trübe Wintertage vergessen, und die Gärtnerin wünscht sich Regen. Zuvor aber freut sie sich, weil jetzt alles gleichzeitig blüht. Der Frühling ist da und mit ihm der Schneestolz (Chionodoxa luciliae), Foto oben. Er löst die Krokusse ab, gehört zu den Hyazinthen und stammt ursprünglich aus der Türkei. Auf den Beeten bildet er zehn Zentimeter hohe weiß-blaue Teppiche.

Die klassischen Garten-Hyazinthen (Hyacinthus Orientalis-Hybriden) stammen ebenfalls aus dem Orient und wachsen dort in den Bergen. Bei mir im Flachland kommen sie auch klar. Der Gott der Schönheit gab ihnen ihren Namen, und bestimmt sah der nicht nur umwerfend gut aus, sondern roch auch verführerisch. Die Blüten sehen aus, als seien sie aus Kunststoff geformt.

Die Narzissen schwanken bei Wind wie Zitronenfalter über den Beeten. Die klassischen Osterglocken (Narcissus pseudonarcissus) mit ihren sonnengelben Blütenblättern recken ihre gelbe Nebenkrone in der Mitte stets in Richtung Sonne, so wie ich auch, wenn ich mal kurz für ein paar Minuten im Garten an einer warmen Wand lehne.

Bei anderen sind die Blütenblätter weiß. Die Vielfalt bei Narzissen ist riesig. Es gibt tausende Züchtungen. Diese beiden gehören zu den Trompeten-Narzissen. Sie werden bis zu 50 Zentimeter hoch, haben an jedem Stängel nur eine Blüte und eine wie eine Trompete lang gezogene Nebenkrone.

Narzissen können auch Orange. Auch diese gefüllte Variante kommt jedes Jahr wieder. Narzissen sind eindeutig dankbarer als Tulpen, von denen man die meisten in ein bis zwei Jahren nicht wieder sieht.

Am liebsten sind mir die gefüllten Narzissen. Rip van Winkle heißen sie, nach einer amerikanischen Romanfigur, die nach 20 Jahren Schlaf mit langem Bart und Zottelhaaren wieder aufwacht. Die Jahrhunderte alte Sorte ist die gefüllte Form einer Wildnarzisse Narcissus minor var. pumilis.

Hinter Rip van Winkle leuchtet in Altrosa der Hohle Lerchensporn (Corydalis cava), eine Wildpflanze aus heimischen Buchenwäldern. Seine gelbe Knolle ist hohl, man kann sich den Namen so ganz gut merken. Es soll auch weiße und purpurfarbene Exemplare geben, aber nicht in meinem Garten.

Zu den Pflanzen, die Jahrzehnte alt werden könnten, gehört der Sibirische Blaustern (Scilla siberica). Seine Heimat ist die Türkei und Syrien. Unter Laubbäumen bildet er zuweilen ein Meer an tiefblauen Blüten. Das schafft er bei mir nicht – noch nicht. Er mag nicht gern gestört werden. Vielleicht bin ich immer noch eine zu ordentliche Gärtnerin. Manchmal gilt im Garten einfach nur: Wachsen und werden lassen.

Über die Autorin

Susanne Dohrn lebt als Autorin und freie Journalistin in einem alten Garten in Schleswig-Holstein. 2017 erschien ihr Buch „Das Ende der Natur: Die Landwirtschaft und das stille Sterben vor unserer Haustür“ (Ch.Links Verlag, Taschenbuchausgabe 2018 im Herder Verlag), 2019 veröffentlichte sie „Der Boden: Bedrohter Helfer gegen den Klimawandel“ (Ch.Links Verlag). Im November 2020 erhielt das Buch den Salus-Medien-Sonderpreis, mit dem das Unternehmen "herausragende journalistische Beiträge ... zu Gentechnik, Ökologie und Umwelt" auszeichnet.

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