Josef Settele arbeitet am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Halle, ist Mitglied im Weltbiodiversitätsrat und Experte für Bläulinge – zarte Falterchen, wie sie zu abertausenden über Deutschlands Wiesen gaukelten. Bläulinge sind selten geworden, denn ihre Raupen sind Spezialisten: Die der einen Art fressen nur die Blüten des Wiesenknopfes, andere nur die vom Lungenenzian und wieder andere nur vom Storchschnabel. Settele erzählt, er habe in seinem Garten eine kleine Wiese angelegt. Hinter der Terrasse und dem Rasen für die Kinder. „Wir haben uns von einem Gärtnerkollegen eine autochthone Saatmischung geholt.“ Die sei typisch für die Region um Halle. „Der Wiesenknopf ist auch dabei“, sagt der Forscher. Jeden Sommer beobachtet er nun, „was dort so lebt“. Gibt es solches Saatgut auch für Schleswig-Holstein, wo ich lebe? Klar versichert er, ich müsse allerdings darauf achten, dass ich zertifiziertes Regiosaatgut kaufe.

Das Tagpfauenauge (Aglais io) überwintert als Falter

Hilfe, meine Wiese ist zu klein!

Wieder zu Hause maile ich einem solchen Saatguthersteller: Ich wolle in meinem Garten auf etwa 50 Quadratmetern eine regionaltypische Wiese anlegen, wie es sie früher gegeben hat.  Das ausgewählte Stück Land liege recht sonnig, und ich würde mir wünschen, dass im ersten Jahr schon etwas blüht. Eine Stunde später kommt ein Rückruf. Sogleich wird die Sache verwickelt: Meine Wiese sei mit 50 Quadratmetern für sein Unternehmen eigentlich zu klein. Es sei auf Mengen für Hektar eingestellt. Ein Kilo Saatgut, weniger könne er nicht liefern, nennt der Berater eine „Apothekermenge“. Bei 5 Gramm pro Quadratmeter – mehr ist nicht nötig – würden mir sogar 250 Gramm ausreichen. Wir einigen uns auf 500 Gramm.

Die Körner auf der Waage

Ich habe Blumensaat bisher in kleinen Tüten im Gartencenter gekauft und finde, 500 Gramm ist unvorstellbar viel. Warum weniger nicht möglich ist, erklärt der freundliche Berater so: Das Saatgut wird für jeden Kunden individuell zusammengestellt, je nachdem wo er lebt und wie viel er braucht. Nur so stimmt am Ende die Mischung zwischen den großen und den kleinen, den leichten und den schweren Saatkörnern. Und er macht eine Rechnung auf: Bei einem Kilo seien es in der auf meine Region abgestimmten Mischung beispielsweise  0,5 Gramm „Gewöhnliches Ferkelkraut“ oder 0,2 Gramm „Wiesenschaumkraut“ oder 0,1 Gramm „Rundblättrige Glockenblume“. Wie viele Saatkörner das wohl sind?

Über die Autorin

Susanne Dohrn lebt als Autorin und freie Journalistin in einem alten Garten in Schleswig-Holstein. 2017 erschien ihr Buch „Das Ende der Natur: Die Landwirtschaft und das stille Sterben vor unserer Haustür“ (Ch.Links Verlag, Taschenbuchausgabe 2018 im Herder Verlag), 2019 veröffentlichte sie „Der Boden: Bedrohter Helfer gegen den Klimawandel“ (Ch.Links Verlag). Im November 2020 erhielt das Buch den Salus-Medien-Sonderpreis, mit dem das Unternehmen "herausragende journalistische Beiträge ... zu Gentechnik, Ökologie und Umwelt" auszeichnet.

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