Die Heide steckt in mir. Deshalb fahre ich immer wieder gerne dorthin. Meine Urgroßeltern waren Heidebauern. Sie waren arm, denn der Boden dort ist sandig und karg. Als ich Kind war, gehörten die Fahrten in die Lüneburger Heide zu unserem Spätsommerprogramm, denn mein Vater hatte dort seine Bienen stehen. Wie mühsam die Honigernte war, habe ich damals nicht begriffen, denn wir Kinder sahen nur die schönen Seiten: die langen Spaziergänge durch das Meer der blühenden Heidepflanzen (Calluna vulgaris).

Wir Kinder und meine Mutter nutzen die Wartezeit, in denen meinem Vater seine Bienen nachschaute, zum Bestimmten der Pflanzen in diesem ganz besonderen Biotop. In der Heide wächst das Berg-Sandglöcken (Jasione montana) mit seinen nur knopfgroßen blauen Blüten. Es braucht sehr magere Böden und ist deshalb selten geworden. Die Pflanzen werden nicht höher als die Heide, aber sie wurzeln einen Meter tief im Boden.

Die Heide-Nelke (Dianthus deltoides) steht in Deutschland wegen ihrer Seltenheit unter Naturschutz und übertrifft mit ihrem leuchtenden Pink die Heideblüten. Sie bevorzugt ebenfalls saure Sandböden.

Ab und zu leuchtet das Johanniskraut (Hypericum perforatum) gelb am Wegesrand. Es ist in diesem Jahr ein bisschen spät dran. Beginn der Blüte ist um den Johannistag, den 24. Juni. Vielleicht wurde es zwischendurch abgemäht und ist noch einmal ausgetrieben.

Das war vermutlich auch das Schicksal des Natternkopfes (Echium), den ich an einer Stelle entdeckt habe. In meinem Garten ist seine Blüte vorbei, aber wird er abgemäht, treibt er noch einmal neu aus.

Die Honigernte ist arbeitsreich, nicht nur für die Bienen. Bevor die Bienen in die Heide kamen, suchte mein Vater den Stellplatz aus. Danach wurden die Bienen in einer Nacht – meistens Freitag – wenn es schon dunkel war, verladen, zu ihrem Stellplatz transportiert und die Kästen bei absoluter Finsternis aufgestellt. Es folgten zwei bis drei weitere Besuche an den Wochenenden, bei denen sie nachgeschaut wurden: Haben alle noch eine Königin, wie viel Honig haben sie gesammelt, sind alle Waben gefüllt und brauchen sie neue? In einer weiteren Nacht holte mein Vater sie wieder ab und stelle sie im Garten auf. Dann war der Garten nicht betretbar, weil die Bienen auf der Suche nach der vertrauten Heidelandschaft überall herumtobten. Am nächsten Wochenende schleuderten meine Eltern einen Tag lang Honig. Der wurde dann eine Woche bis zehn Tage täglich gerührt, damit die Zuckerkristelle klein bleiben. Wenn er anfing fest zu werden, wurde er in Gläser abgefüllt. Der Honig war köstlich. Dass in jedem Löffel Stunden der Mühsal steckten war uns Kindern nicht bewusst.

Über die Autorin

Susanne Dohrn lebt als Autorin und freie Journalistin in einem alten Garten in Schleswig-Holstein. 2017 erschien ihr Buch „Das Ende der Natur: Die Landwirtschaft und das stille Sterben vor unserer Haustür“ (Ch.Links Verlag, Taschenbuchausgabe 2018 im Herder Verlag), 2019 veröffentlichte sie „Der Boden: Bedrohter Helfer gegen den Klimawandel“ (Ch.Links Verlag). Im November 2020 erhielt das Buch den Salus-Medien-Sonderpreis, mit dem das Unternehmen "herausragende journalistische Beiträge ... zu Gentechnik, Ökologie und Umwelt" auszeichnet.

Vielleicht gefällt dir auch das: