Parasiten sind eine geniale Erfindung der Natur. Ihr Prinzip lautet: einen anderen, der größer und stärker ist, für den eigenen Lebensunterhalt sorgen lassen. Die Gallwespe nutzt dazu die Eiche. Besonders gut erkennbar ist das im Herbst. An den Blattunterseiten einiger Blätter kann man dann kugelige Gebilde entdecken – die Larvenkammern von weiblichen Eichengallwespen (Cynips quercusfolii).

Ganz schön kompliziert

Die Weibchen schlüpfen an einem sonnigen Wintertag. Sie haben dann nur ein Ziel: Ihre unbefruchteten Eier auf die Knospen von Eichen zu legen. In den Knospen wachsen bis Anfang des Sommers Männchen und Weibchen heran. Nach der Paarung legen die Weibchen ihre Eier in die Unterseite von Eichenblättern. Erst daraus entstehen die auffälligen Galläpfel.

Grundstoff für Tinte

Aus den Galläpfeln bereitet man seit mehr als 2000 Jahren eine tiefschwarze, dokumentenechte Tinte, die Eisengallustinte. Die amerikanische Unabhängigkeitserklärung aus dem Jahr 1776 ist mit dieser Tinte unterschrieben ebenso wie der in Maastricht geschlossene Vertrag der Europäischen Union 1992. Wer die Wespe schlüpfen sehen will, muss sich im Winter einen Gallapfel mit einem kleinen dunklen Fleck an der Außenseite suchen. Die Wespe ist dann gerade dabei, sich nach draußen zu knabbern.

Über die Autorin

Susanne Dohrn lebt als Autorin und freie Journalistin in einem alten Garten in Schleswig-Holstein. 2017 erschien ihr Buch „Das Ende der Natur: Die Landwirtschaft und das stille Sterben vor unserer Haustür“ (Ch.Links Verlag, Taschenbuchausgabe 2018 im Herder Verlag), 2019 veröffentlichte sie „Der Boden: Bedrohter Helfer gegen den Klimawandel“ (Ch.Links Verlag). Im November 2020 erhielt das Buch den Salus-Medien-Sonderpreis, mit dem das Unternehmen "herausragende journalistische Beiträge ... zu Gentechnik, Ökologie und Umwelt" auszeichnet.

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