Da wird der Mohn zur Glockenblume: Nach einigen warmen Tagen gab es einen Frühlingsregen. So zart war er, dass über dem Hellgrau der Wolken die Sonne spürbar blieb. Nicht einmal den Seidenpapier-Blüten des Islandmohns (Papaver nudicaule) konnten die Tropfen etwas anhaben. Als es zu regnen begann drehten der Mohn seine Blütenschalen einfach nach unten verwandelte sie in Glockenblumen.

So wartete der Islandmohn Papaver nudicaule einen Regenschauer ab.

Wer bei dem Namen „nudicaule“ an Nudisten denkt, liegt nicht ganz falsch. „Nudicaule“ bedeutet nacktstängelig. Der Stängel des Islandmohns hat keine Blätter. Dafür ist er, ebenso wie die Knospe, mit einem dicken Haarpelz bedeckt. Ob der Pelz wärmt? Immerhin stammt der Islandmohn aus arktischen und subarktischen Zonen. Mit kalten Wintern kommt er also gut zurecht. Ob das auch für unsere feuchten Winter gilt, wird sich zeigen, denn der Islandmohn bevorzugt trockene Böden.

Die „haarige“ Knospe und ihr „nackter“ Stängel sind typisch für den Islandmohn

Die Pflanzen sind Lebenskünstler. Wo es ihnen gefällt, bilden sie eine lange Pfahlwurzel, sind mehrjährig und säen sich aus. Meine Pflanzen habe ich dieses Jahr gekauft. Ich konnte nicht widerstehen, als ich nach dem langen dunklen Winter die leuchtenden Blüten sah.

Nach unten geneigt schützen die Seidenpapier-Blüten Stempel und Staubbeutel.

Wo der Islandmohn jetzt steht, ist es kühl, trocken und nährstoffarm. Das sollte ihm gefallen. Ich hoffe, dass er mir die Standortwahl dankt. Nehme ich ihm die Samenkapseln weg, blüht er bis in den August, heißt es. Ich aber hätte gerne möglichst viele Samen, damit im kommenden Jahr noch viel, viel mehr Islandmohn in meinem Garten blüht. Bei mir darf er seinen Wunsch, sich fortzupflanzen, ausleben.

Die zukünftige Samenkapsel – auch sie ist eine haarige Sache.

Über die Autorin

Susanne Dohrn lebt als Autorin und freie Journalistin in einem alten Garten in Schleswig-Holstein. 2017 erschien ihr Buch „Das Ende der Natur: Die Landwirtschaft und das stille Sterben vor unserer Haustür“ (Ch.Links Verlag, Taschenbuchausgabe 2018 im Herder Verlag), 2019 veröffentlichte sie „Der Boden: Bedrohter Helfer gegen den Klimawandel“ (Ch.Links Verlag). Im November 2020 erhielt das Buch den Salus-Medien-Sonderpreis, mit dem das Unternehmen "herausragende journalistische Beiträge ... zu Gentechnik, Ökologie und Umwelt" auszeichnet.

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