Manchmal haben Pflanzensamen Beine. Um genau zu sein: Sie haben sechs Beine wie Insekten. Falls sie sich schon einmal gefragt haben, warum Ihre Schneeglöckchen, Akelei, Krokusse, und was sonst noch so alles im Frühjahr blüht, an den unmöglichsten Orten im Garten wieder auftauchen: die sechs Beine sind die Antwort. Vor ein paar Tage habe ich fast reife Samenkapseln von Großen Schneeglöckchen (Galanthus Elwesii) gefunden und mit nach Hause genommen.

Stängel, Samenkapseln und Samen mit Ölkörperchen vom Großen Schneeglöckchen.

Als die dicken Samenkapseln trockneten, fielen die Samen heraus: blank, gelblich und glänzend. Auf den ersten Blick wirkten sie wie schon gekeimt. Beim genauen Hinschauen stellte ich fest: Die Anhängsel sind Ölkörperchen (Elaiosomata). Mit denen „ködern“ die Pflanzen Ameisen. Die Ölkörperchen sind nahrhaft und vitaminreich, wie Brot mit viel Butter. Deshalb werden sie von Ameisen gern gefressen, allerdings nicht an Ort und Stelle, sondern im oder am Bau. Ameisen leben sozial. Die Futterversorgung von Artgenossen gehört dazu. Bon Appétit. Ich werde die Samen demnächst aussäen. Mal schauen, ob Große Schneeglöckchen draus werden, und wo sie letztendlich wachsen.

Über die Autorin

Susanne Dohrn lebt als Autorin und freie Journalistin in einem alten Garten in Schleswig-Holstein. 2017 erschien ihr Buch „Das Ende der Natur: Die Landwirtschaft und das stille Sterben vor unserer Haustür“ (Ch.Links Verlag, Taschenbuchausgabe 2018 im Herder Verlag), 2019 veröffentlichte sie „Der Boden: Bedrohter Helfer gegen den Klimawandel“ (Ch.Links Verlag). Im November 2020 erhielt das Buch den Salus-Medien-Sonderpreis, mit dem das Unternehmen "herausragende journalistische Beiträge ... zu Gentechnik, Ökologie und Umwelt" auszeichnet.

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